"Songs of Ice and Fire" von Maliyah | Das Lied von Eis und Feuer > Das Lied von Eis und Feuer (2024)

Brother, Traitor, Ghost


Theon und Robb

Beschreibung:

Theon begegnet in der Gruft von Winterfell einem Schatten seiner Vergangenheit, und seine zerissene Seele verliert ein weiteres Stück. Theon und Robb, sad mood. Mehr oder weniger Canon.

~*~

Er war hinab gestiegen in die Krypta von Winterfell und wanderte still wie ein Schatten durch die Statuen längst Verstorbener, als er ihn sah.

Der Mann stand plötzlich vor ihm, ohne ein Anzeichen, wie er dorthin gekommen war. Rote Haare schienen in dem spärlichen Licht der Fackel in der Gangmitte schwarz zu sein und blaue Augen sahen ihn ausdruckslos und leer an, doch er hätte den Mann überall und jederzeit erkannt.

Neben ihm stand Robb, groß und voller Blut. „Du warst einmal mein Freund.“

Theon – Stinker – zuckte zusammen. Das ist nicht möglich,

schoss ihm hastig und schmerzhaft durch den Kopf, und er schüttelte sich, als könnte er das Bild seines ehemaligen besten Freundes dadurch zum Verschwinden zwingen. „Du… du bist tot.“, brachte er zitternd hinaus und versuchte weiter den Anblick abzuschütteln, doch Robb Stark sah ihn nur weiter ruhig und durchdringend an.

Ich kann es nicht ertragen, ihn anzusehen.

Also senkte er den Kopf, obwohl dies ebenso weh tat als ob er ihm direkt in die vertrauten, klaren blauen Augen gesehen hätte.

„Ich bin tot. Bist du es auch, Theon?“

Ja. Theon Graufreud starb an dem Tag, an dem er seine Heimat und seine Familie verriet.

Ramsays

Messer war nur ein letzter Schritt auf einer Treppe, die Theon Graufreud vor langer Zeit beschritten hat.

Er war Stinker, und Stinker war am Leben. So viele sind tot. Robb ist tot, Lord Stark ist tot, Arya ist tot,

Vayon

Poole ist tot, und alle in dieser verfluchten Burg werden es auch bald sein.

Stinker versuchte, hinter eine Statue zu fliehen. Er konnte den Anblick des Geistes nicht mehr ertragen, und die Finsternis war sein einziger Ausweg. Doch Robb folgte ihm langsam, und Stinker meinte das Geräusch von tropfendem Blut auf glatten Stein zu vernehmen. Das ist nicht real,

beschwor er in seinem Kopf und lehnte die Stirn an die kalte Oberfläche des in Stein gehauenen Mannes. Das ist nur in meinen Kopf. Nur in Stinkers Kopf, der von Menschen träumt, die Theon Graufreud verraten hat.

„Wieso hast du mich verraten, Theon? Ich bin nun tot, und so viele sind mit mir gestorben. Weil du mich verraten hast, begann das alles.“

„Das ist nicht… nicht wahr.“, brachte er heraus. „Joffrey hat es begonnen. Robert Baratheon. Rhaegar Targaryen. Der Irre König. Wegen ihnen… wegen ihnen ist das alles geschehen.“

Wäre der Irre König niemals wahnsinnig geworden, hätte der Drachenprinz niemals Lady Lyanna entführt und vergewaltigt, hätte Robert Baratheon niemals zu Rebellion gerufen, hätte Theon Graufreuds Vater niemals die Ambitionen und den Ehrgeiz gehabt ein König zu werden und, am allermeisten, hätte Balon Graufreud diesen Ehrgeiz und die Größensucht niemals an seine Kinder weiter gegeben. Es wäre alles nie so passiert, wie es nun war. Stinker wäre noch immer Theon Graufreud, ein Lord und Herr einer Burg, kein Geist, der sich in der dunklen Gruft Winterfells versteckte um vor anderen Geistern zu fliehen, die ihn mit seinem Verrat und seinem Schicksal heimsuchten.

„Verschwinde.“, sagte er mit letzter Kraft, und als er keine Antwort bekam hob er schwach den Kopf und sah den Mann an, mit dem er aufgewachsen war.

Robb verschwand nicht, und in seinen Augen lag tiefe, endlose Traurigkeit. „Erinnerst du dich noch, als du zu uns kamst?“, fragte er, wobei er alles überging, was Stinker ihm zuvor gesagt hatte. „Ich sehe Mutters Blick noch immer vor mir, als Vater ihr sagte dass du unser Mündel sein wolltest. Sansa und ich, wir haben nicht verstanden wer du warst. Für mich warst du nur ein Junge, ein größerer, klügerer und stärkerer fremder Junge, der unglücklich und alleine war. Ich habe dich wie einen Bruder behandelt, Theon, und du warst mein Bruder ebenso wie Jon es war.“

Ich erinnere mich.

Seine Atmung wurde unregelmäßig, als Stinker an den Tag zurückdachte, an dem Theon nach Winterfell gekommen war.

Er hatte Angst gehabt. Er war einsam gewesen. Sein Vater hatte ihn ohne einen zweiten Gedanken fallen gelassen und an die übergeben, die seine Heimat gestürmt hatten. Robert Baratheon hatte über ihn gelacht, über den kleinen, sechsjährigen Sohn von dem eisernen Krakenkönig, der seine Krone so schnell verlor, und Ned Starks Gesicht war kalt gewesen, als sie nach Winterfell ritten.

Nur Robb war ihm freundlich begegnet und mit einer solchen unbefangenen, ungefilterten Wärme, die Theon auf den Eiseninseln nie gefunden hatte – nicht einmal bei seiner Mutter, die Rodriks und Marons Tod betrauert hatte, nicht bei Asha und erst Recht nicht bei seinem Vater - und so nie gelernt hatte, damit umzugehen. Sie alle haben mich höflich behandelt, aber niemand hat mich so angesehen wie Robb. Als sei ich ein Freund, ein Gefährte, ein Bruder.

„Du warst immer mein Vorbild. Selbst als du noch ein Junge warst kamst du mir bereits wie ein Mann vor weil du größer und selbstsicherer warst als ich.“

„Ich war nie ein Mann.“, hörte sich Stinker sagen, doch die Worte drangen zu ihm durch wie aus weiter Ferne. „Es gehört mehr dazu. Ich habe mir eingeredet einer zu sein, aber ich war wie der dumme Junge, der die Eiseninseln damals als Geisel verließ. Ich habe mich erst dann wie ein Mann gefühlt, als ich Winterfell gestürmt habe. Erst da.“

Wie naiv ich doch war. Wie dumm, wie einfältig und arrogant und rücksichtslos egoistisch. Der Herr Ramsay hatte Recht, kein Prinz ist so selbstbezogen und grausam, wie ich es war. Hätte mein Vater mich gesehen, hätte er sich abgewandt, wie er es immer getan hat.

„Wieso hast du mich dann verraten? Du warst mein Freund und einer meiner engsten Berater. Ich habe dir vertraut, wo mich Mutter und meine Lords davor gewarnt haben.“

„Ich wollte meinen Vater stolz machen.“

Selbst in Stinkers Ohren klangen diese Worte so schwach, wie er damals gewesen war. Theon Graufreud war einmal stolz gewesen, und Stinker war es nicht. Es tat nicht einmal weh, es zuzugeben. Theon Graufreud wollte einen Mann mit Stolz erfüllen,

wie es die Starks taten. Lord

Eddard war immer stolz auf seine Kinder, selbst wenn sie nichts Großes taten. Ich hingegen… ich war immer ein Außenseiter, ein Krake unter Schattenwölfen. Ich bin nicht einmal ein ganzer Krake.

„Er hat mich niemals akzeptiert. Nicht so, wie ihr mich akzeptiert habt, bevor…“ Er brach ab. Er konnte kaum weiter sprechen, als ihn Erinnerungen an kühle Sommertage und helles Lachen zu ertränken drohten. Er sah sich und Jon und Robb, wie sie unter Ser Rodrik strenger Überwachung mit Holzschwertern übten und er hörte Arya wildes Lachen, wenn Jon ihn einmal zu Boden warf… er konnte den tiefen, reinen Geruch nach Kiefernnadeln und warmen Tannen wahrnehmen, als die roten Herzblätter des Wehrholzbaumes in seinen Geist erschienen, und er konnte Lord Eddard sehen, wie er an dem klaren Teich saß und Ice

von dem Blut eines Desateurs reinigte. Er konnte die Stimme der Alten Nan hören, wie sie Bran und Arya und Rickon im Schein des hellen, warmen Feuers alte Geschichten erzählte, und er sah sich und Robb, wie sie versuchten kein allzu großes Interesse an den spannenden Legenden vorzugeben, für die sie sich zu groß und erwachsen glaubten. Es war alles so gut, und ich war zu blind um es zu erkennen.

Jetzt gab es nur noch Kälte und Schmerz, und es war das, was Theon für seine Tate verdient hatte.

„Ich bin tot, Theon. Ich bin tot, genau wie meine Mutter, meine Frau, mein ungeborenes Kind. Selbst mein Königreich hat das Leben verloren.“, meinte Robb nur, und sein Ton war noch immer nicht wütend oder aufgebracht. Es lag eine seltsame Leblosigkeit in dem neutralen, ruhigen Tonfall. Doch selbst wenn er mehr Leidenschaft, mehr Gefühle in seine Stimme legte, Stinker erkannte etwas Lebendiges nicht mehr. Es gibt nur noch den Tod für mich.

„Ich bin gestorben, Theon.“

Ich weiß.

Bitter drückte Stinker die Augen zusammen, und Tränen sammelten sich hinter seinen geschundenen Liedern. Sein Meister hatte ihm davon berichtet, langsam und qualvoll, während er ihm immer mehr und mehr Teile seines Wesens und seines Körpers genommen hatte. Der Bolton hatte gelächelt, sein Messer über Stinkers vernarbte Haut fahren lassen und ihm aus dem Brief vorgelesen, den Lord Frey an Lord Roose geschickt hatte.

Der junge Wolf wurde ermordet. Das Balg ist tot, und die Hure ebenfalls. Der Kopf seines Schattenwolfes wurde an Starks Hals angenäht und anschließend durch das Lager getragen, mit aller Ehre, die einem Eidbrecher gebührt.

Doch Robb hatte keinen Eid gebrochen, den er selbst gesprochen hatte. Seine Mutter hatte auf den Zwillingen das Eheversprechen ausgehandelt, und wenn Robb jemanden verraten hatte, dann nur einen anderen Verräter. Nein, Robb hatte keinen Verrat begangen, der annähern vergleichbar war wie Walder Frey Verrat – und Theons Verrat. Selbst sein Kind haben sie ermordet. Aus dem Bauch seiner Frau heraus geschnitten. Wäre ich nur dort gewesen. Ich hätte an seiner Seite sterben sollen, wie es Dacey und der

Kleinjon

und die anderen getan haben.

„Es tut mir leid.“

Es tat ihm alles so leid. Wäre er noch Theon Graufreud, so hätte er geweint. Um sich, um Robb, um all die Dinge, die er anderen angetan hatte. Doch Stinker war nicht Theon, und so waren seine Augen trocken und seine Worte schwach und heiser.

Die Finsternis schien ihn zu verschlingen, als Robb einen Schritt auf ihn zu trat. „Weist du, wessen Statue du umklammerst?“, fragte er leise und richtete seinen blass leuchtenden Blick nach oben auf das Gesicht des Mannes, der Stinker Schutz bot.

Grauen erfüllte Stinker. Nein. Nein. Jeden, nur nicht ihn.

Dieses Mal sammelten sich ungeweinte Tränen in seinen Augen, als er an der Statue hochsah und langsam das steinerne Gesicht von Eddard Stark erkannte.

„Wir sind für einen gemeinsamen Vater in den Krieg gezogen, Theon. Und als sie ihn hinrichteten, wollten wir für denselben Vater Rache. Sag mir…“, sagte Robb flüsternd und Theon schloss die Augen, „… was war an Balon Graufreud besser als an Eddard Stark?“

„Für Theon Graufreud alles.“, gab er als Antwort, und er sah Robb still den Kopf schütteln, als er dazu sagte: „Für Stinker nichts.“

Theon hätte einmal alles gegeben, um von seinem wahren Vater anerkannt zu werden. Er hatte sich Balon Graufreud beweisen wollen, doch vor allem hatte er ihm zeigen wollen, dass er Achtung und Ehre wert war. Er hatte die Akzeptanz seines Vaters gesucht, um ihn anschließend zu übertrumpfen. Meine persönliche Rache… ich wäre ein furchtbarer König geworden. Ein unwürdiger König. Asha hatte Recht, als sie mich damals vom Hafen nach

Peik

brachte.

Er hatte lange gebraucht, um seinen wahren Vater zu erkennen. Nun war es zu spät, und beide seine Väter waren tot.

Und ich habe einmal Sansa für dumm und verblendet gehalten.

Manchmal, am Rande seines Bewusstseins, fragte er sich, ob sie noch am Leben war. Sie war mit Tyrion Lannister verheiratet worden, hieß es, mit dem hässlichsten und widerwärtigsten Menschen, den Theon – Stinker – je gesehen hatte, doch wer konnte den Lannisters glauben, dass es wirklich Sansa Stark war und keine rothaarige Hure? Würden sie Ros als Sansa ausgeben, würde es niemandem auffallen, würde man sie verstecken.

Es gab in Königsmund niemanden mehr, der Sansa wirklich kannte, und die Lannisters könnten jederzeit vorgeben, sie aufgrund einer Krankheit in einem Turm zu halten. Es wäre viel leichter für sie, Sansa nach der Befreiung des Königsmörders umzubringen.

Auch von Arya hatte man nichts mehr gehört. Ein Mädchen überlebte in Westeros nicht lange, mochte es auch noch so wild und zäh sein. Für das Verschwinden von Bran und Rickon hatte er selbst gesorgt, und nun hielt die Welt auch sie für tot. Alle Kinder von Lord Stark haben ein Schicksal gefunden, das mehr Unglück als Leben bringt.

„Kann ich dir jeh verzeihen, was du mir angetan hast?“

Robbs Frage riss ihn aus seinen wirren, leeren Gedanken, und er fühlte sich unfähig zu antworten. Hättest du mich so verraten, wie ich es getan habe, hätte ich dir nie vergeben.

Doch er konnte es nicht aussprechen. Ein kleiner, in eine tiefe, verschlossene Ecke seines zerrissenen Geistes gedrängter Teil seines Wesens hoffte noch immer auf Vergebung und glaubte an die tiefe Liebe, die er zu den Starks empfand. Es war nur ein winziges Teil von seinem übrig gebliebenen Verstand, und er wagte nicht ihn an die Oberfläche dringen zu lassen. Es war das letzte, was ihn bei Ramsays Spielen bei dem Rest Verstand hielt, der ihn vor dem Wahnsinn trennte. Ein Teil, an den Ramsay niemals heran kommen könnte, außer Stinker ließ ihn.

„Ich habe dich verraten. Ich habe Winterfell niedergebrannt, und die Eisenmänner haben den Norden verwüstet.“ Er musste es ein Mal aussprechen, ein einziges, einsames Mal. Danach konnte er sich wieder der Vergessenheit und der Dunkelheit hingeben, die ihn beherrschte. „Es tut mir leid.“

„Ich weiß.“, sagte Robb leise. „Und mir tut es leid, was aus dir geworden ist, Theon. Du warst einmal mein Bruder, und nun bist du kaum mehr ein Mensch.“

Als Stinker das nächste Mal aufblickte, war er alleine, und der Geist seines besten Freundes aus Kindertagen war verschwunden.

Es war eine Erleichterung, und gleichzeitig schien eine unsichtbare Hand ein weiteres Stück aus Theon Graufreud gerissen zu haben. Stinker. Ich bin Stinker. Es ist besser, Stinker zu sein.

Er wandte sich ab, fort von der Finsternis und Einsamkeit der Gruft, und der einzige Geist in Winterfell war er selbst.

~*~

Hallo!
Eigentlich war ich bereits halb fertig mit einem OS, der von Tywin und seinem goldenen Vermächnis handelt, aber durch das neue Kapitel von "A Song of Wolves and Dragons" von Team Dany wurde ich mit einem Mal zu einem Oneshot über die traurige Beziehung zwischen Robb und Theon inspiriert. Das ist für mich insoweit sehr ungewöhnlich, als dass ich in keiner Weise daran gedacht habe, einmal etwas Theon-zentriertes zu schreiben, und jetzt steht es innerhalb kürzester Zeit da :)
Noch schöne Sommerferien euch allen!
Maliyah

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